Ohne Gavins tatkräftige Unterstützung wäre aus meinem
Forschungsvorhaben nie das geworden, was jetzt verspricht zu werden. Als ich
John Hattie sagte, ich wolle seine alte Wirkstätte an der Universität Auckland
besuchen, bei dem mir gesagt »Frag Gavin, der ist ein toller Gastgeber«.
Das hat sich bestätigt.
Der Professor für quantative Datenanlyse ist viel beschäftigt. Er schreibt fortlaufend Bücher und Artikel , trägt auf wichtigen Konferenzen überall auf der
Welt vor und berät Ministerien und Schulen in Hongkong und anderswo. Dennoch hat er mir immer
schnell auf meine E-Mails geantwortet. Er hat mir wichtige Kontakte vermittelt
und direkt am zweiten Tag meiner Forschungsreise konnte ich ihn in seinem Büro
treffen.
Fast 3 Stunden lang konnte ich ihm Löcher in den Bauch
fragen. Er hat alle Fragen beantwortet, ist immer wieder aufgestanden hat in
seinen wohl geordneten Bücherregalen danach gesucht, wo ich zu meiner Frage
weiter lesen kann.
Gavin ist das Gedächtnis der Geschichte der Entwicklung des neuseeländischen
Schulsystems in den letzten 20-30 Jahren. Wichtige Entscheidungen wurden Anfang
der 1990er Jahre getroffen.
In "Assessment: Policy to Practice" heisst es: "Der Hauptzweck von Assessment in der Schule besteht darin, das Lernen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern und die Qualität des Unterrichts". Und das Ministerium hat dieses Versprechen gehalten, bis heute. Vielleicht ist es damit das einzige auf der Welt, dass die Förderung des Lernens ohne wenn und aber in den Mittelpunkt gestellt hat. Politik und Verwaltung in anderen Ländern lassen sich immer wieder dazu verführen, das Messen von Schülerleistungen vorrangig für das Rangordnen und das Sortieren zu nutzen – dabei darf das erst am Schluss kommen. Sonst stört es das Lernen.
Das Ministerium war immer sehr lehrerfreundlich,
und vielleicht hat dies auch ermöglicht, dass die Lehrer und Lehrerinnen auch
heute noch sehr schülerfreundlich sind.
Das Fachwort, das durch diesen Blog weiter begleiten wird,
lautet »Assessment«. Das ist das Spezialgebiet von Gavin. Vor kurzer Zeit hat
er dazu ein großes internationales Handbuch veröffentlicht. Warum geht es da?
Vielleicht fange ich damit an, was das Gegenstück zum Assessment in Deutschland und
der Schweiz ist. Wenn wir dort an Schule denken, fällt uns schnell das Notengeben
(grading) ein. Es wird von Beurteilung oder Bewertung der Schülerinnen und
Schüler, und ihrer Leistung gesprochen. Für viele ist die Erinnerung an die
Noten keine gute. Und wenn sie das Wort »Beurteilen« hören, dann fällt Ihnen der
Richter ein, der über schuldig oder nicht schuldig entscheidet. Es gibt in
Deutschland viel Literatur darüber, wie man das Beurteilen, das Notengeben, das
Messen von Leistungen noch perfekter machen kann, wie es gerechter werden kann
usw. So unverzichtbar Noten sind, so sehr verdecken sie aber das, worum es eigentlich
ankommt. Mit John Hattie habe ich dazu etwas mehr in Bildung Schweiz geschrieben.
Das Wort »Assessment« vermeidet die für viele Menschen
unangenehmen Assoziationen. Eigentlich ist nicht zu übersetzen. Es umfasst viel
mehr als das Beurteilen oder Bewerten: Es geht um einen großen Bereich von
Methoden und Prozessen. Mit diesen sollen möglichst gute Auskünfte gegeben werden über
das Lernen und insbesondere über die Lernfortschritte von Schülerinnen und
Schülern. Im Vordergrund steht das formative Assessment. Es dient dazu, genau Impulse
zu geben, damit die Lehrerinnen und Lehrer ihren Unterricht immer besser so
anpassen, dass alle Schüler gute Lernfortschritte machen.
Natürlich gibt es auch in Neuseeland das summative
Assessment, bei dem es um Noten, die Berechtigungen für den Hochschulzugang
usw. geht. Aber erst einmal geht es darum, die Möglichkeiten voll
auszuschöpfen, damit alle möglichst gut lernen. Und die große Werkzeugkiste
dafür ist heißt: „Formatives Assessment«.
Gavin ist zusammen mit John Hattie einer der Architekten
dieser Werkzeugkiste. Die meisten anderen die dazu maßgeblich beigetragen haben,
sind Architektinnen – wer den Blog weiter liest, wird einige kennen lernen und nachlesen können, wie sie auf meine "grossen Fragen" antworten.
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