Bücher, die vielen öffentlichen Bibliotheken und auch die
unabhängigen Buchhandlungen sind im gleichzeitig stark digitalisierten Neuseeland sehr präsent. Was liegt für
Reisende näher, nach Texten zu suchen, die einem Land und Leute ein Stück
erklären? Drei Tipps:
Gabriel‘s Bay (Catherine Robertson, 2018)
Im Listener hatte ich eine begeisterte Besprechung gelesen -
abgesehen von der beißenden Kritik am „verunglückten“ Coverbild. In der Szene-Buchhandlung
„Time Out“ im Mount Eden Village (7 Tage geöffnet, 9 a.m bis 9 p.m) kannte es
der Mann hinter der Theke nicht. Sein Großhändler am Telefon meinte: In sieben
Tagen ist es da. Pech: Dann sind wir schon auf Reisen auf der Nordinsel.
Drei Tage später sind wir mit dem Bus in die „angesagte“ PonsonbyRd (die Attraktionen haben wir nicht gefunden). Aber: THE WOMEN'S BOOKSHOP. Ob die das Buch mit dem
romantischen Cover verkaufen? Überraschung: Draußen auf der Tafel ist die
Lesung von Catherine Robertson angekündigt. Wieder Pech: ein Tag zu spät für
uns. Von ihren 50 Exemplaren hatten sie kurz danach nur noch 49.
Auf der Oberfläche eine Liebesgeschichte. Außer den beiden
gibt es noch weitere gefühlt 100 Personen, die vorgestellt werden. Sie alle - aus
allen möglichen Ethnien und Ländern, auch ein deutsches Winzerpaar – leben in
dem kleinen abgehängten Küstenort. Der Alltag wird uns aus den Perspektiven verschiedener
Protagonisten erzählt: von alten Menschen; von Alleinerziehenden; von Kindern
die sich selbst versorgen; dem schleunigst zu pensionierenden Arzt usw. Vier
(fast) Erwachsene tauchen offenbar als Nebenfiguren in Kap. 7. auf: Sie kennen
sich seit ihrem dritten Lebensjahr aus dem Play Centre. Im abklingenden – und letzten
gemeinsamen – Sommer trinken sie abends am Strand ihr Zwölfer-Pack Bier.
- Sam Kirby, dunkelhäutig, mit Vorfahren aus Samoa, Europa und anderswo, trägt Afrolocken. Aus seiner Perspektive wird dieses Kapitel erzählt. Ohne Zukunft in Gabriel‘s Bay wird er sich wohl bald nach Christchurch aufmachen, da nach dem Erdbeben dort immer noch Bauarbeiter benötigt werden. Das fällt ihm nicht leicht, denn er allein ist in eine intakte große Familie eingebunden.
- Brownie Tahanas Maoiri-Kernfamilie ist hingegen ein Torso: seine Mutter Millie , Sozialarbeiterin, ist, als er elf Jahre war, in ihrem Büro an einem Herzinfarkt gestorben. Bald darauf wurde sein Vater Ed schwer pflegebedürftig. Brownie versorgt ihn. Obwohl der beste in der Klasse gab‘s keine Chance auf eine Universitätskarriere – jetzt ist er als Elektriker unterwegs und angebunden.
- Tubs Vater Ron Hanrahan (wohl irische Vorfahren) ist ein wohlhabender Autohändler. Tub will Automechaniker oder -Verkäufer werden. Er besorgt für die verschiedenen Jagdausflüge passende Autos.
- Deano lebt mit einer Freundin zusammen, er selbst ist ein Kleindealer und Gelegenheitsarbeiter, Vater Alkoholiker, vormals Jäger. Tub besorgt die Waffen, um als Krönung von 16 Jahren gemeinsamen Aufwachsens einen Hirsch zu schiessen.
Diese witzige melancholische Geschichte verhandelt den Alltag,
die ungleich verteilten Chancen, den Busch, den Strand und das Dorf mit viel
soziologischer und literarischer Kenntnis und Fantasie.
Was scheren mich die Schafe (Anke Richter, 2011)
Optimale Vor-Lektüre „zwischen Sachbuch und Roman“.. Auch das zweite Video zum Buch betont das Positive Neuseelands. Das Buch
selbst spricht einige Ambivalenzen an und- ganz wichtig, weist auf Fettnäpfchen hin,
in die mitteleuropäisch Sozialisierte allzu leicht tappen. Schmerzhaft komisch.
Aktuelles von der Journalistin liest man regelmässig in der taz. (passend zu
Gabriel’s Bay „Standort Armutsbucht“ )
The Garden Party (Katherine Mansfield, 1922)
Diese Kurzgeschichte der neuseeländischen Klassikerin thematisiert
persönlich, aus der Innensicht der Protagonistin, soziale Unterschiede. Dass
sie auch fast 100 Jahre später noch prägen, darauf verweist in ähnlicher
Erzählweise Catherine Robertson. Beide Schriftstellerinnen zeigen, dass reiche
Väter (allein) nicht glücklich machen.
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