Erste Vorstellungen vom Schulsystem im "fremden" Neuseeland habe ich durch Bildungsgesetze, die Website des Bildungsministeriums, des statistischen Amtes usw. bekommen. (s. Post vom 11.2.2018).
Ergebnis meiner Recherchen und der gegebenen Antworten sind die beiden handgeschriebene Seiten mit vier übergeordneten Aspekten und 16 weiteren Punkten, in denen neuseeländische Schulen "besonders" sind. Fast ein Dutzend meiner Gesprächspartnerinnen und -partner hat mir Rückmeldungen auf erste Versionen gegeben. Ja, meinen viele, das ist o.k. so, die neuseeländische Schulkultur so zu sehen (es fehlt noch manches...) . Und sie haben einiges richtig gestellt. Diese zwei Seiten sind sicher nicht selbserklärend - aber vielleicht regen sie ja zum Nachfragen an.
Die zwei Seiten machen deutlich, dass viele "Tools" aus Neuseeland nicht so einfach auf Deutschland oder die Schweiz übertragbar sind. Sie passen erst einmal in diese kinderfreundliche, auf das Wachstum des einzelnen und von einem grossen Vertrauen in die Lehrerschaft geprägte Kultur. Verbesserung mittels angepasster Assessment-Tools ist dann möglich, wenn sich auch die Kultur entwickelt. Da wird es aber eng (s. Post vom 21.3.2018).
Persönlich habe ich folgenden Gewinn: Ich habe gesehen, dass es möglich ist, auch auf nationaler Ebene amders mit Themen wie Lernförderung, Bewerten und Notengeben umzugehen. Und ich bin klarer darin, die pädagogische Praxis anderer nicht zu bewerten, ohne mich genau vergewissert zu haben, in welchem Kontext sie handeln.
Nationale Schulkultur Neuseelands
Inzwischen beginne ich zu verstehen, auf welcher kulturellen Basis Schule und Unterricht dort gestaltet werden. Vieles, was ich gesehen habe, ist eigentümlich, macht misstrauisch .... Drei von mehreren Beispielen:Die Schuluniform
Oberflächlich sind es die Schuluniformen. Dafür gibt es eine eigene Ausstattungsindustrie, und auf den Websites der Schulen findet man recht weit oben, wie die Regelung bezüglich Jungen und Mädchen ist. Wie die Uniform wirkt, von innen gesehen, habe ich nicht verstanden - dafür braucht man viel mehr Zeit, Gespräche usw. - vielleicht versteht man es nur richtig, wenn man selbst drin gross geworden ist?Die mitreisenden Schülerdaten
Die von Schulstufe zu Schulstufe "mitreisenden Daten" (s. Post vom 1.4.2018). Dass die Primarlehrerin das Portfolio von z. B. Julian sieht, das in seinen Kita-Jahren entstanden ist, erachten die meisten als Voraussetzung, um Julian beim Vorwärtskommen optimal unterstützen zu können. Und dass die Eltern auch noch in Klasse 11 das Online-Portfolio von Anna ständig einsehen können, ist doch klar: Auf welcher Basis sonst sollen produktive und informierte Elterngespräche stattfinden?Die Werte und Wörter der Maori
Dass die Werte der Maori, etwa die Zugehörigkeit zu einem grösseren, die Kernfamilie weit überschreitenden Kreis (whanaungatana), in vielen offiziellen Dokumenten eine zentrale Stellung einnehmen, habe ich schon mehrfach erwähnt. Oft wird die Maori-Sprache (te reo), genutzt, die eine offizielle Landessprache ist (wie die Gebärdensprache, während das Englische de lege nicht diesen Rang hat.). Man stelle sich vor, in Deutschland (Vergleich ist etwas schief) verführe man ähnlich mit den Werten der zugewanderten türkischen Bevölkerung.Dumme Urteile ohne Kontextkenntnis
Ich bin als "Fremder", "Outsider" ins Land gekommen. Ich verstehe vieles kaum, oder gar nicht. Allein schon wegen der sprachlichen Feinheiten der englischen Sprache (und seiner neuseeländischen Varianten).Tendenz zum Abwerten
Die Schuluniformen finde ich als Deutscher mit einer ob der neueren Geschichte tief sitzenden Uniform-Aversion bis hin zu abstossend (etwa die eines katholischen Mädchengymnasiums, schwer rote halbange Jacke, sehr teuer). Die mitreisenden Daten - da wird bei mir der Datenschützer geweckt. Wenn das in meiner Gymnasialzeit passiert wäre, hätte ich wegen der vielen frühen Misserfolge (Lateinlehrer=Klassenlehrer) kaum eine Chance aufs Abitur gehabt. Die ständig präsenten Maori-Werte. Ist das wirklich ernst gemeint? Ist es Lippenbekenntnis, wegen schlechtem Gewissen? (Das ich z. B. sofort hätte, denke ich an Sinti-, Roma- oder jenische Kinder in einer öffentlichen Schule).Solche schnellen Urteile drängen sich geradezu auf. Ich bilde sie schon per Gefühl, bevor ich drüber nachgedacht habe. Denn ich ordne das, was ich sehe, unwillkürlich in mein (biographisches, 'nationales') Wertesystem ein. Das ist einerseits unfair, andererseits kontraproduktiv: Es verbaut mir die Chance, etwas anderes überhaupt erst einmal wahrzunehmen. Es verhindert mein Weiterlernen.
Gegenmittel: Studiere den Kontext
Darauf habe ich mich in meinen ca. 30 Expertengesprächen konzentriert. Ich habe nachgefragt: Lösen die mitreisenden Daten Angst bei den Kindern aus? Gibt es bei euch keine Helikoptereltern? Woran kann man sehen/mitbekommen, dass diese Werte der Maori eine Rolle spielen, auch wenn nur 10% Maori in der Schule sind (und weitere 10% Pacifica)? - Zeig mir Beispiele....Ergebnis meiner Recherchen und der gegebenen Antworten sind die beiden handgeschriebene Seiten mit vier übergeordneten Aspekten und 16 weiteren Punkten, in denen neuseeländische Schulen "besonders" sind. Fast ein Dutzend meiner Gesprächspartnerinnen und -partner hat mir Rückmeldungen auf erste Versionen gegeben. Ja, meinen viele, das ist o.k. so, die neuseeländische Schulkultur so zu sehen (es fehlt noch manches...) . Und sie haben einiges richtig gestellt. Diese zwei Seiten sind sicher nicht selbserklärend - aber vielleicht regen sie ja zum Nachfragen an.
Transfer auf "unsere" Schul- und Unterrichtskultur
Persönlich habe ich folgenden Gewinn: Ich habe gesehen, dass es möglich ist, auch auf nationaler Ebene amders mit Themen wie Lernförderung, Bewerten und Notengeben umzugehen. Und ich bin klarer darin, die pädagogische Praxis anderer nicht zu bewerten, ohne mich genau vergewissert zu haben, in welchem Kontext sie handeln.
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